Unternehmenskommunikation in der Papierkrise – sind Prospekte, Flyer und Kundenmagazine tot?

Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Papier bleibt teuer. Die Hoffnungen von Verlagen und Werbern, dass sich die Preise nach den historischen Höchstständen im Sommer wieder relativieren, zerschlagen sich aufgrund der aktuellen Energiepreisrallye.

Unsere Recherchen zeigen: Die Papierpreise für Magazine und Zeitschriften bleiben mit mehr als 1300 Euro je Tonne auf rund dem Doppelten dessen, was in den vergangenen 20 Jahren für Papier bezahlt werden musste. Auch damals gab es Papierpreisschwankungen – klar, aber in einem ganz anderen Rahmen. Anfang 2010 mussten 620 Euro für die Tonne Papier bezahlt werden, im Januar 2019 waren es 740 Euro, dann ging es mit dem Beginn der Corona-Pandemie wieder auf rund 600 Euro herunter. Seitdem aber geht es steil bergauf und zwischenzeitlich mussten Verlage glücklich sein, wenn sie überhaupt noch irgendein Papier bekamen.

Die Fachgroßhandelsgruppe Igepa sieht daher für die nahe Zukunft bei der Herstellung von Druckerzeugnissen keine Entwarnung, mag sich aber auch nicht auf Prognosen festlegen.  Markus Kaufmann, der Chef des gleichnamigen Druckhauses in Lahr, kann das nur bestätigen: „Im Sommer dachte ich, dass wir den Peak erreicht haben. Aber die Energie- und Rohstoff-Preise steigen leider weiter“, berichtet er. „Manche Papierfabriken stellen bereits tageweise ihre Produktion ein, einzelne planen dies wochenweise zu tun. Rohstoffknappheit, unsichere Verfügbarkeiten und lange Lieferzeiten sind nicht mehr die großen Probleme, sondern der Preis.“

Hintergrund der anhaltenden Rallye sind die gestiegenen Kosten für Energie sowie der für Grafikpapier benötigten Zellulose bei gleichzeitigem Rückgang von sortiertem, bedruckbarem Altpapier. Von Januar bis Oktober 2021 ist der Altpapierpreis in Deutschland um 78 Prozent gestiegen, somit bezahlte man zuletzt für eine Tonne etwa 200 Euro. Eine Tonne Zellulose verdoppelte sich im Preis von 650 Euro (2021) auf aktuell rund 1300 Euro je Tonne.

Der hohe Preis für grafische Papiere und die dadurch explodierenden Druckkosten macht gedruckte Werbung für manche Unternehmen weniger attraktiv. Die Lebensmittelkette REWE und der Baumarktriese OBI haben daher beschlossen, in Zukunft auf gedruckte Werbung zu verzichten. Das Stichwort dazu: #umdenkbar.

Hochwertige Inhalte statt Gießkannenprinzip

Werden Printprodukte für das Marketing also unattraktiver und eines Tages ganz wegfallen? Davon gehen wir bei team tietge nicht aus. Stattdessen sind wir überzeugt, dass es eben gerade ein intelligenter Mix aus Print, Web, Social sowie Audio- und Videomedien ist, der Kunden erreicht, inspiriert und motiviert. „Online-Marketing kann Printprodukte natürlich ergänzen, aber nicht ersetzen.“

Gleichzeitig aber sind wir überzeugt, dass man genau überlegen sollte, wo und wie Print wirklich Sinn macht: Papier sollte also im Grunde nur dann für Werbung eingesetzt werden, wenn der Druck durch hochwertige Inhalte auch gerechtfertigt ist.

Eine repräsentative Umfrage von IFH Media Analytics aus dem Jahr 2022 bestätigt dies. 90 Prozent der Menschen in Deutschland lesen zumindest gelegentlich gedruckte Prospekte - gut drei Viertel aller Befragten sogar jede Woche. 52 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Prospekte zum Kauf von Produkten anregen (zum Vergleich: TV 37 %, Social Media 36 %). Fazit: Der Prospekt ist der Hidden Champion der Werbemittel.

Für Unternehmen, die ihre Marke positionieren wollen, bedeuten die gestiegenen Papierpreise vor allem, dass sie ihre Zielgruppe genau kennen sollten. Anonyme Massen-Werbung nach dem Gießkannenprinzip war gestern. Heute ist eine ausgeklügelte Marketing-Strategie vonnöten, die eine persönliche Beziehung zum Kunden herstellt, das Produkt fühlbar und erlebbar macht.

Papierlose Werbung ist nicht unbedingt umweltfreundlicher

Papier einzusparen ist kein Garant für umweltfreundliches Handeln. Auch E-Mails, Texte über Messengerdienste oder der klassische Newsletter, Postings auf Social Media oder ein Katalog im PDF-Format verbrauchen Ressourcen. Vor allem verbrauchen sie Strom, und dieser kommt in Deutschland noch immer fast zur Hälfte aus Kohlekraftwerken. Eine Studie des Royal Institute of Technology in Stockholm kommt beim Ökologie-Vergleich Print versus Online zu dem Ergebnis: Wegen des hohen Stromverbrauchs empfiehlt sich Papier ab einer halben Stunde Lesezeit.

Auch Markus Kaufmann sieht trotz Papierkrise kein Ende des Printmarketings. „Es wird oft vergessen, dass das Internet auch einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Ein Druckprodukt ist dagegen physisch präsent und selbst wenn man es wegwirft, entsteht durch Recycling wieder etwas Neues daraus.“ Außer dem ökologischen Aspekt, gibt es da noch den Faktor Langlebigkeit: „Digitale Medien sind schneller, aber sie verankern sich nicht so tief. Ein Heft wie etwa #heimat Schwarzwald – das blättert man mehrmals durch, hebt es auf oder gibt an Freunde oder Nachbarn weiter.“